Es ist kein offensichtliches und schon gar kein einfaches Thema. Wenn man an Seeleute denkt, denken viele an Raufbolde, die nicht reden, sondern schuften. Harte Kerle, die sich immer für das Schiff und seine Ladung einsetzen. Doch die psychische Gesundheit der Besatzung ist ein Thema, das besondere Aufmerksamkeit verdient.
Schließlich ist das Leben auf See nicht immer einfach: weit weg von zu Hause, lange Tage, wenig Privatsphäre. Hinzu kommen Arbeitsstress, Probleme an der Heimatfront und – nicht zu unterschätzen – die traumatischen Folgen, die die Gefahr der Arbeit auf See mit sich bringen kann. Zum Beispiel, wenn ein Besatzungsmitglied Zeuge eines Unfalls geworden ist. Was die Sicherheit der Besatzung betrifft, so liegt der Schwerpunkt vor allem auf der körperlichen Gesundheit, aber die psychische Gesundheit ist ebenso wichtig.
Nach Angaben der Sailor’s Society, einer britischen Initiative, die Seeleuten hilft, ihr eigenes Wohlbefinden zu beobachten, zeigt eine in Zusammenarbeit mit der Universität Yale durchgeführte Studie, dass mehr als 25 % der Menschen auf See an einem oder mehreren Symptomen einer Depression leiden. Viele von ihnen, etwa 45 %, fragen nicht nach Hilfe. Etwa ein Drittel spricht mit Freunden oder der Familie darüber und nur ein Fünftel mit einem Kollegen, obwohl sie oft monatelang auf See auf engem Raum zusammen sind.
Besatzungsmitglieder mit psychischen Problemen haben möglicherweise das Gefühl, dass sie in der „Macho“-Kultur an Bord nicht mithalten können. Die gängige Haltung kann darin bestehen, dass man seinen Mann steht und weitermacht, ohne die längerfristigen negativen Folgen zu bedenken. Die bereits zitierten Untersuchungen zeigen, dass man sich davor scheut, Probleme offen anzusprechen, nicht zuletzt, weil die Besatzungsmitglieder befürchten, dass man ihnen sagt, sie seien nicht arbeitsfähig und sie ihren Arbeitsplatz verlieren.
Psychische Probleme können nicht nur für das Besatzungsmitglied selbst, sondern auch für seine Familie, Freunde und andere Besatzungsmitglieder ein Problem darstellen. Sie können sich in niedriger Arbeitsmoral, Konzentrationsproblemen und einem erhöhten Risiko von Fehlzeiten und – nicht zuletzt – Verletzungen aufgrund unkonzentrierter Arbeit äußern. Der Schiffsleitung können dadurch Kosten durch Verspätungen, Rückführung und ein erhöhtes Risiko von Fracht- oder Schiffsschäden oder Navigationsfehlern entstehen. Ein noch größeres Problem kann entstehen, wenn die Probleme eines Besatzungsmitglieds zu gefährlichen Situationen durch körperliche Aggression gegenüber anderen oder sich selbst führen, möglicherweise mit sehr ernsten Folgen.
Natürlich ist es unmöglich, die Moral an Bord unter allen Umständen hoch zu halten. Jedes Besatzungsmitglied hat seine eigenen Bedürfnisse, Eigenheiten und Hintergründe. Als Schiffsleitung ist es wichtig, dass Sie die Höhen und Tiefen Ihrer Besatzung so gut wie möglich kennen und aktiv eingreifen können, wenn Sie bemerken, dass ein Besatzungsmitglied Probleme hat, auch wenn es sich dessen selbst nicht bewusst ist.